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"Entweder verhindert die Revolution den Krieg oder der Krieg wird die Revolution bringen" - Mao Tsetung

     
  Augenzeuge in Syrien: die letzten 12 Tage

Rick Sterling

 

Mein Freund lebt in Damaskus. Ich werde ihn Qusay nennen, um seine Identität zu schützen. Qusay ist in Aleppo geboren und aufgewachsen und hat dort noch immer Familie. Er ist ein hochrangiger Übersetzer und Universitätsprofessor. Von seiner Familie erfuhr er, was sich nach dem Einmarsch am 27. November in Aleppo ereignete. Er hat die Ereignisse in Damaskus, wo er sich immer noch aufhält, persönlich miterlebt. Im Folgenden schildert Qusay die Ereignisse der letzten 12 Tage in Syrien.

 

Umsturz von Aleppo

 

Der Einmarsch und der Umsturz von Aleppo wurde von syrischen und vielen ausländischen Kämpfern durchgeführt, die vom türkischen Geheimdienst und Militär versorgt und unterstützt wurden. Die Kommunikation des syrischen Militärs wurde durch elektronische Kriegsführung gestört. Die Invasoren setzten Drohnen ein, um die syrischen Streitkräfte zu überwachen und anzugreifen. Die Dschihadisten wurden von seitens der NATO finanzierten Ukrainern im Umgang mit Drohnen geschult. Die Türkei und andere NATO-Streitkräfte lieferten die Drohnen und alle möglichen anderen modernen Waffen. Sie verfügten über Panzer, LKWs mit Maschinengewehren und andere Fahrzeuge.

Die Dschihadisten wurden von den türkischen/amerikanischen Streitkräften sorgfältig vorbereitet. Sie schickten Einzelpersonen, die mit einflussreichen Personen in Aleppo sprachen und ihnen Zahlungen von Hunderten von Dollar und andere Belohnungen im Gegenzug für ihre Komplizenschaft oder den Verzicht auf Widerstand versprachen. Ärzte, Ingenieure und Beamte wurden persönlich kontaktiert. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch Militärs kontaktiert wurden. Als die vom türkischen Militär unterstützte Invasion am 27. November begann, brach die syrische Verteidigung von Aleppo zusammen.

Qusay glaubt, dass die syrische Armee nach 13 Jahren Krieg und den ständigen Angriffen israelischer Jets, die sie nicht aufhalten konnte, erschöpft war. Wie die gesamte syrische Gesellschaft ist auch sie durch die intensiven Sanktionen des Westens und den Diebstahl wichtiger nationaler Ressourcen verarmt. Die wichtigsten Weizenanbau- sowie Öl- und Gasförderregionen sind seit 2016 von US-Truppen und ihren kurdischen Stellvertretern besetzt. Infolgedessen haben die meisten Syrerinnen und Syrer nur wenige Stunden am Tag Strom und haben Probleme, Essen auf den Tisch zu bringen. Vor dem Beginn des „schmutzigen Krieges“ im Jahr 2011 war Syrien in Bezug auf Lebensmittel und Energie selbstversorgend. Syrien hatte keine Staatsschulden und die Syrer genossen eine kostenlose Gesundheitsversorgung und Bildung.

Die Invasoren in Aleppo versuchten, die Öffentlichkeit zu beschwichtigen, dass sie nicht wie die „Rebellen“ von einst sind, die Christen und Alawiten verfolgten und töteten und die Scharia durchsetzten. In Aleppo versorgten sie die Familien mit kostenlosem Brot und richteten in kürzester Zeit elektronische Kommunikationszentren ein, damit jeder über Internet verfügt und sie ihre Botschaften verbreiten können.

 

Zusammenbruch in Damaskus

 

Während die nördliche Invasionsarmee nach Zentralsyrien vordrang, griff eine andere Gruppe von Süden her an. Zuerst griffen sie Deraa an der jordanischen Grenze an und eroberten es, dann Suweida. Dann rückten sie nach Damaskus vor. Offenbar gab es im Vorfeld Absprachen, denn die Hauptstadt Syriens wurde militärisch kaum verteidigt. Präsident Assad gab die Macht ab und reiste nach Moskau.

Am ersten Tag (Sonntag) nach dem Sturz von Bashars Regierung brachen sofort Plünderungen und Chaos aus. Die Menschen waren verängstigt und trauten sich nicht mehr aus ihren Häusern. Andere Regierungsgebäude wurden geplündert und durchwühlt. In Universitäten wurde eingebrochen und Computer und Laborausrüstung gestohlen, die syrische Zentralbank und andere Einrichtungen wurden verwüstet.

Viele Menschen haben aus Angst die syrische Flagge durch die Fahne der „Revolution“ ersetzt.

Jetzt, am zweiten Tag, ist die Lage besser. Es gibt mehr Sicherheit. Viele Geschäfte sind noch geschlossen, aber sie werden nach und nach wieder geöffnet. Der ehemalige Premierminister und das Kabinett haben die Menschen aufgefordert, wieder an die Arbeit zu gehen.

Titularchef der neuen Regierung ist Abu Mohammed al Jolani. Er hat öffentlich erklärt, dass Frauen frei sind, zu tragen, was sie wollen, und dass es keine Vergeltungsmaßnahmen oder Racheanschläge geben wird. Der syrische Premierminister wurde durch Mohamad al Bashir ersetzt. Die Regierung Jolani scheint die Kontrolle über den größten Teil des Landes, einschließlich Latakia, zu haben.

Ein großes Problem sind die anhaltenden israelischen Angriffe und Bombardierungen. Israel hat fast alle Militärgebäude im Raum Damaskus zerstört, während israelische Drohnen ständig über dem Land kreisen. Queneitra im äußersten Süden ist von der zionistischen Armee besetzt worden. Netanjahu und Biden haben beide die „Lorbeeren“ für den langen schmutzigen Krieg in Syrien geerntet.

Qusay sagt: „Plötzlich ist alles verloren... Syrer sind es gewohnt, sich auf die Armee zu verlassen, um unser Land zu verteidigen. Aber es gibt keine Verteidigung mehr. Israel nimmt syrisches Land in Besitz. Die Türkei übernimmt einen anderen Teil Syriens... Wir wissen nicht, wohin Syrien geht.“

Einige Syrer glauben, dass sie ein besseres Leben haben werden. Andere glauben, dass dies eine Illusion ist und dunkle Tage vor ihnen liegen. Letztes Wochenende hatte Qusays Familie ihre Koffer gepackt und war bereit zu gehen. Aber es gibt keinen Ort, an den sie gehen können. Sowohl Jordanien als auch Libanon haben ihre Grenzen geschlossen.

 
     
  erschienen am 10. Dezember 2024 auf > Antiwar.com > Artikel  
  Archiv > Artikel von Rick Sterling auf antikrieg.com  
     
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  Die Politik der Europäischen Union gegenüber Syrien ist nicht nur scheinheilig, zynisch und menschenverachtend, sie ist ein Verbrechen gegen den Frieden. Das wird etwa durch einen durchgesickerten UNO-Bericht (>>> LINK) bestätigt (von dem Sie nicht viel hören werden ...), siehe auch den vor kurzem erschienenen Bericht der US-Abgeordneten Tulsi Gabbard (LINK) und das Interview mit dem niederländischen Pater Daniel Maes (LINK)! In dem Artikel "In Syrien hungert jeder Dritte (LINK)" finden Sie neuere Informationen. Der Bericht des Welternährungsprogramms der UNO (LINK) spricht Bände und kann daher dem breiten Medienpublikum wohl auch nicht zugemutet werden. Weitere Neuigkeiten über dieses Musterstück barbarischer Politik finden Sie >>> HIER.

Das ist die Politik der Europäischen Union, die offenbar von bestimmten Interessengruppen gelenkt wird und sich aufführt wie die Vereinigte Kolonialverwaltung der europäischen Ex-Kolonialmächte. Warum unsere politischen Vertreter nicht gegen diese kranke und abwegige, für keinen vernünftigen Menschen nachvollziehbare Politik auftreten, fragen Sie diese am besten selbst!

 
> Appell der syrischen Kirchenführer im Juni 2016 (!): Die Sanktionen der Europäischen Union gegen Syrien und die Syrer sind unverzüglich aufzuheben! (LINK) <
     
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