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"Entweder verhindert die Revolution den Krieg oder der Krieg wird die Revolution bringen" - Mao Tsetung

     
  Bandung revisited

Wie sich Asien/Afrika vor 70 Jahren neu definierte (und was das mit BRICS zu tun hat)

Stephan Ossenkopp

 

Vom 18. bis 24. April 1955 fand im indonesischen Bandung die Afrika-Asien-Konferenz statt. 70 Jahre später wird die enorme historische Tragweite dieses Treffens auch im Rückblick anerkannt und mit Gedenkveranstaltungen gewürdigt. Die Bandung-Konferenz gab der Vereinigung und Emanzipation des globalen Südens einen starken Impuls und legte den Grundstein für die Bewegung der Blockfreien Staaten (Non-Aligned Movement, NAM), die sich überwiegend aus Entwicklungsländern zusammensetzt. Noch heute spricht man vom „Geist von Bandung“ als Ausdruck des Wunsches nach Souveränität, Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und friedlicher Koexistenz aller von Kolonialismus und Imperialismus ausgebeuteten Länder. Die 29 Teilnehmerstaaten in Bandung, die ausnahmslos aus Asien, Afrika und dem Nahen Osten stammten, erkannten 1955 die sogenannten Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz an. Diese bildeten das Gegenstück zu den aggressiven Handlungen der europäischen Kolonialmächte wie Großbritannien, Niederlande, Frankreich, Belgien etc. Die Konferenz von Bandung gilt bis heute als Meilenstein des Emanzipationskampfes des globalen Südens. Heute findet er seinen Ausdruck vor allem im Zusammenschluss der BRICS-Staaten.

Zu den Hintergründen: Im April 1954 trafen sich fünf südasiatische Premierminister in Colombo, der Hauptstadt des Inselstaates Sri Lanka, der nach jahrhundertelangem Kolonialstatus erst 1948 unabhängig geworden war und bis 1972, der Gründung der Republik, noch den Namen Ceylon trug. Diese waren Jawaharlal Nehru (Indien), U Nu (Burma/Myanmar), John Kotelawala (Ceylon/Sri Lanka), Mohammed Ali (Pakistan) und Ali Sastroamidjojo (Indonesien). In Vietnam/Indochina tobten zeitgleich verlustreiche Kämpfe zwischen der Unabhängigkeitsbewegung und den französischen Kolonialbesatzern, die schließlich in der Schlacht von Ði?n Biên Ph? und der Niederlage Frankreichs endeten. Indonesien selbst hatte einen fast fünfjährigen Unabhängigkeitskrieg gegen die Niederlande geführt, weil diese nicht freiwillig auf die wirtschaftlichen Profite ihrer Kolonie verzichten wollten. Nehru legte zur Beendigung des blutigen Indochinakrieges einen Friedensplan sowie ein Nichteinmischungsabkommen mit den USA, Großbritannien, der UdSSR und China vor. Es wurde beschlossen, Begegnungen dieser Art fortzusetzen. Am Ende des Treffens war es der Vertreter Indonesiens, der eine „inklusivere Asien-Afrika-Konferenz“ forderte. Die Idee der Konferenz von Bandung war geboren.

Thematische Leitlinien wurden festgelegt: Förderung des guten Willens und der Zusammenarbeit, Berücksichtigung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Probleme sowie der Fragen, die für die Völker Asiens und Afrikas von besonderem Interesse sind, und schließlich Prüfung der Stellung Asiens und Afrikas in der heutigen Welt und ihres Beitrags zur Förderung des Weltfriedens und der internationalen Kooperation. Alle unabhängigen und quasi-unabhängigen Staaten sollten teilnehmen können. Die Einladung erging an 25 Staaten, streng nach geographischen, nicht nach ideologischen Kriterien. 24 Staaten kamen. Als Gastgeber eröffnete der indonesische Präsident Ahmed Sukarno am 18. April 1955 die einwöchige Konferenz und sprach vom „Geist eines wiedererwachenden Asiens“. Sukarnos Rede endete mit den visionären Worten: „Lasst uns nicht verbittert über die Vergangenheit sein, sondern fest in die Zukunft blicken. Denken wir daran, dass kein Segen Gottes so süß ist wie Leben und Freiheit. Denken wir daran, dass das Gefüge der ganzen Menschheit geschwächt ist, solange Nationen oder Teile von Nationen unfrei sind. Denken wir daran, dass das höchste Ziel des Menschen die Befreiung von den Fesseln der Angst ist, die Befreiung von den Fesseln der Armut, die Befreiung des Menschen von den physischen, spirituellen und intellektuellen Fesseln, die seit langem die Entwicklung der Mehrheit der Menschheit behindern“.

Der chinesische Premierminister Zhou Enlai war eine Schlüsselfigur der Bandung-Konferenz, mit der er China trotz massiver Isolationsversuche westlicher Mächte, allen voran der USA, als Partner für die Mehrheit der Menschheit anbot. In Han Suyins Monographie „Zhou Enlai and the Making of Modern China“ kann man einige Umstände des Besuchs des chinesischen Premierministers in Bandung nachlesen. Zhou hätte gar nicht erst ankommen sollen, denn in dem Flugzeug, das ihm die indische Fluggesellschaft Air India (Air China gab es damals noch nicht) zur Verfügung gestellt hatte, war eine Bombe versteckt. Diese explodierte und brachte das Flugzeug über dem Ozean zum Absturz, doch Zhou war nicht an Bord. Er musste wegen einer akuten Blinddarmentzündung behandelt werden. Er flog über Rangun in Indien und landete schließlich am 16. April in Indonesiens Hauptstadt Jakarta. Der Empfang war herzlich, obwohl die USA ihre Verbündeten aufgerufen hatten, den „kommunistischen Imperialismus“ öffentlich zu verurteilen. Die Philippinen, Japan, Südvietnam, Sri Lanka und Pakistan, das damals amerikanische Militärhilfe erhielt, gaben entsprechende Erklärungen ab. Doch zur Überraschung vieler nahm Zhou Enlai trotz diverser verbaler Angriffe eine versöhnliche und ausgleichende Haltung ein. „Jenseits aller Ideologien gibt es gemeinsame Interessen, nationale Interessen und Ziele“, sagte Zhou.

Die Persönlichkeit Zhou Enlais war auch in der Lage, Gräben zu überbrücken, die durch Missverständnisse oder Spaltungen von außen entstanden waren. In seiner Rede vom 19. April sagte er: „Im Interesse der Verteidigung des Weltfriedens sollten wir asiatischen und afrikanischen Länder, die sich mehr oder weniger in einer ähnlichen Lage befinden, die ersten sein, die freundschaftlich zusammenarbeiten und ein friedliches Zusammenleben in die Tat umsetzen. Die Zwietracht und Entfremdung, die durch die Kolonialherrschaft in der Vergangenheit zwischen den asiatischen und afrikanischen Ländern entstanden sind, dürfen nicht länger bestehen bleiben. Wir, die Länder Asiens und Afrikas, sollten uns gegenseitig respektieren und jegliches Misstrauen und jegliche Ängste, die zwischen uns bestehen mögen, abbauen“. Der Applaus soll stetig zugenommen haben und endete schließlich in stehenden Ovationen der Teilnehmer, als Nehru ihn freundschaftlich umarmte. Nach seiner Rückkehr aus Indonesien sprach Premierminister Nehru vor dem Indischen Kongress über die Ergebnisse der Bandung-Konferenz, insbesondere über die Vision des Weltfriedens: „Das neue Asien wird versuchen, alte Bindungen wiederzubeleben und neue und bessere Formen der Beziehungen aufzubauen. Obwohl die asiatische Renaissance zu Recht und auf natürliche Weise eine wichtige Rolle in den Überlegungen der Delegierten gespielt hat, ist es wichtig, daran zu erinnern und festzuhalten, dass die Konferenz im Einklang mit den jahrhundertealten Traditionen der Toleranz und Universalität der Ansicht war, dass die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Asien und Afrika im größeren Kontext der weltweiten Zusammenarbeit entwickelt werden sollte“.

Die Konferenz verurteilte alle Formen des Kolonialismus, einschließlich der Apartheid in Südafrika und der Vertreibung der Palästinenser. Auch die Befreiungsbewegungen in Marokko, Algerien und Tunesien wurden unterstützt. Über die Rolle der Sowjetunion gab es unterschiedliche Auffassungen, doch setzte sich schließlich die Meinung durch, dass die Mitgliedsstaaten der Sowjetunion nicht als Kolonien zu bezeichnen seien. Die Konferenz von Bandung sprach sich einstimmig gegen die Produktion und den Einsatz von Massenvernichtungswaffen aus und forderte ein Verbot von Atomwaffentests. Das Abschlussdokument von Bandung enthielt eine entsprechende Deklaration für Weltfrieden und Zusammenarbeit, die die bewährten Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz enthielt, die Indiens Außenpolitik bestimmten. Das Konzept militärischer Bündnisse und die Idee des „Verhandelns aus einer Position der Stärke“ (wie es für die NATO typisch ist) wurden abgelehnt, da sie „nicht zum Frieden beitragen“, so Nehru. Besonders erfreut zeigte sich Nehru darüber, dass in Bandung viele neue Kontakte geknüpft, Vorurteile abgebaut und Freundschaften geschlossen werden konnten.

Die Konferenz von Bandung wurde schon damals als historisches Ereignis bezeichnet, das auch weltweit Beachtung fand. Ihre Errungenschaften und ihre Bedeutung wurden schnell als epochal angesehen. Sie löste eine Welle der Solidarität und der friedlichen Beilegung von Differenzen zwischen allen durch Kolonialherrschaft und Krieg geschwächten Ländern aus, trotz ihrer unterschiedlichen Verhältnisse. Daraus entstand ab 1961 die wachsende Bewegung der Nichtpaktgebundenen bzw. Blockfreien Staaten und in jüngster Zeit auch das Phänomen der BRICS+, die die Prinzipien der Bandung-Konferenz stärker denn je weitertragen. Das Bestreben einer westlichen Elite, nach dem Ende des Kalten Krieges eine unipolare Weltordnung unter angloamerikanischer Hegemonie zu errichten, die fortgesetzte Ausbeutung durch ein neokolonialistisches Finanzsystem, das nach dem globalen Crash von 2008 seine Interessen verteidigte, anstatt einen neuen Ansatz zu wählen, führten zu einem immer lauter werdenden Chor vieler Staaten weltweit, die jetzt endlich eine gerechtere und sicherere internationale Architektur einfordern und den Westen an die Prinzipien der UN-Charta erinnern. Das Erstarken der BRICS und ihre Forderung nach einer fairen und rationalen multipolaren Ordnung ist heute die beste - und vielleicht letzte - Chance, als Weltgemeinschaft gleichberechtigt und friedlich zusammenzuarbeiten.

 
     
  erschienen am 21. April 2025 auf > Die Multipolare Welt > Artikel  
  Herzlichen Dank dem Autor für die freundliche Überlassung des Artikels!  
     
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Das ist die Politik der Europäischen Union, die offenbar von bestimmten Interessengruppen gelenkt wird und sich aufführt wie die Vereinigte Kolonialverwaltung der europäischen Ex-Kolonialmächte. Warum unsere politischen Vertreter nicht gegen diese kranke und abwegige, für keinen vernünftigen Menschen nachvollziehbare Politik auftreten, fragen Sie diese am besten selbst!

 
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