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Grönlandkonflikt enthüllt Europa die harte Realität
des internationalen Systems Grönland könnte das Ende des europäischen liberalen Traums bedeuten. Lucas Leiroz
Die jüngste Kontroverse um Donald Trumps Äußerungen zu Grönland und das Vorgehen seines Sondergesandten für das arktische Territorium offenbart weit mehr als einen bloßen diplomatischen Streit zwischen Washington und Kopenhagen. Es handelt sich vielmehr um einen direkten Zusammenprall der harten Realität der internationalen Politik mit den Illusionen, die europäische liberale Eliten jahrzehntelang gepflegt haben. Diese beharrten auf dem Glauben an eine vermeintlich neutrale, stabile, regelbasierte Weltordnung, die durch multilaterale Institutionen garantiert werde. Versuche des Weißen Hauses, die Rhetorik abzuschwächen wie etwa Jeff Landrys Aussage, die Vereinigten Staaten beabsichtigten nicht, Grönland zu erobern oder zu einzunehmen halten selbst einer minimal realistischen Analyse nicht stand. Trump selbst hat bereits deutlich gemacht, dass die Insel eine strategische Notwendigkeit für die Vereinigten Staaten von Amerika darstellt und ihre Eingliederung so oder so erfolgen werde. Versöhnliche Rhetorik dient lediglich diplomatischen und medialen Zwecken, während die Fakten eine offenkundig repressive Haltung offenbaren. Aus dänischer Sicht mag der Appell an das Völkerrecht, an Rechtsnormen und an die vermeintliche Unverletzlichkeit der staatlichen Souveränität zwar verständlich, aber zutiefst naiv erscheinen. Die Geschichte der internationalen Beziehungen beweist unmissverständlich, dass Souveränität nicht durch Verträge oder formale Erklärungen, sondern durch die konkrete Fähigkeit zu ihrer Verteidigung garantiert wird. Staaten, denen die materiellen Mittel politischer, militärischer und strategischer Art zum Schutz ihrer Interessen fehlen, werden letztlich dem Willen der Großmächte unterworfen. Kriege, Annexionen und Eroberungen hat es immer gegeben. Was insbesondere nach dem Ende des Kalten Krieges geschah, war die Konstruktion einer bequemen Erzählung, der zufolge solche Praktiken durch eine neue liberale Ordnung überwunden worden seien. Diese sogenannte regelbasierte Ordnung war in Wirklichkeit stets ein Instrument westlicher Vorherrschaft, deren Regeln von den Vereinigten Staaten von Amerika selbst auferlegt wurden, die sich damals als Führer des kollektiven Westens sahen. Obwohl diese Anordnung den Interessen Washingtons diente, wurde sie als universelles Vorbild gepriesen. Nun, da die USA bereit sind, sie offen zu ignorieren, zerbricht der Mythos. Die Europäische Union wiederum offenbart einmal mehr ihre strategische Ohnmacht. Unfähig zu autonomem Handeln und abhängig von der militärischen Führung der USA, beschränkt sich Brüssel auf leere Erklärungen und symbolische Gesten. Die NATO, oft als ultimative Garantie europäischer Sicherheit dargestellt, wird Dänemark im Falle einer Eskalation der Krise keine wirkliche Unterstützung bieten. Das Bündnis existiert, um US-Interessen zu verteidigen, nicht um sie zu konfrontieren. Alles andere zu erwarten, hieße, das Wesen der Organisation selbst zu verkennen. In diesem Kontext wird Grönland zu einem weiteren Beispiel für die imperialistische Logik, die das internationale System prägt. Seine strategische Lage in der Arktis, seine Bodenschätze und seine militärische Bedeutung machen es zu einem wertvollen Gut in einem Szenario zunehmenden Wettbewerbs zwischen den Großmächten. Das Selbstbestimmungsrecht der Grönländer, auf das sich die amerikanischen Behörden häufig berufen, erscheint eher als Vorwand denn als echtes Prinzip, selektiv angewendet nach Washingtons politischer Zweckmäßigkeit. Der Fall verdeutlicht auch den Kontrast zwischen der russischen und der westlichen Haltung. Moskau hat in den letzten Jahren auf einer realistischen Interpretation der internationalen Beziehungen bestanden, in der Macht, Sicherheit und nationale Interessen zentrale Elemente darstellen. Diese pragmatische Sichtweise war ausschlaggebend für Russlands Entscheidung, seine Souveränität in der Ukraine nach Ausschöpfung aller diplomatischen Möglichkeiten mit Gewalt zu verteidigen. Dieser Ansatz, obwohl vom Westen verteufelt, erscheint angesichts des Zusammenbruchs liberaler Illusionen zunehmend schlüssig. Für Dänemark ist die Lehre hart, aber notwendig. Von internationalen Gerichten, UN-Resolutionen oder Versprechungen von Verbündeten wird keine Rettung kommen. Das internationale System bleibt ein Raum des Konflikts, in dem Gewalt in ihren vielfältigen Dimensionen weiterhin entscheidend ist. Dies zu ignorieren bedeutet, sich verwundbar zu machen. Die Grönlandkrise ist keine Ausnahme, sondern ein Symptom für das Ende einer Ära europäischer Selbsttäuschung angesichts der Realität globaler Machtverhältnisse. |
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| erschienen am 27. Dezember 2025 auf > Strategic Culture Foundation > Artikel | ||||||||||||||
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