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  Israel wurde in den Vereinigten Staaten von Amerika seit langem ‘ausgesondert’

Thomas Harrington

Wie weithin berichtet wurde, hat sich die American Studies Association (ASA), die Dachorganisation von Akademikern, die sich mit dem Studium der Literatur der Vereinigten Staaten von Amerika, Geschichte und Kultur beschäftigen, vor kurzem dafür entschieden, der Bewegung zum Boykott von israelischen akademischen Einrichtungen beizutreten.

In den Tagen seit dieser historischen Entscheidung haben zahlreiche in der Öffentlichkeit stehende amerikanische Unterstützer des jüdischen Staates vehement die historische Entscheidung der Wissenschaftervereinigung schlechtgemacht.

Der erste war Lawrence Summers. Ihm folgten zahlreiche weitere wie Leon Wieseltier von The New Republic und Michael Roth von der Wesleyanischen Universität in Connecticut.

Liest man ihre Reaktionen auf die demokratisch getroffene Entscheidung der ASA, dann taucht ein besonderes Argument immer wieder auf. Das lautet dann ungefähr so:

„Betrachtet man alle die Länder, in denen Verstöße gegen die Menschenrechte häufig vorkommen, warum in aller Welt ist da die ASA so besorgt über Israel, den einzigen „demokratischen Staat“ im Mittleren Osten? Warum „sondert“ diese Organisation, wie auch die Millionen anderen, die die BDS-Bewegung unterstützen, Israel aus für eine derartige Strafmaßnahme?“

Das ist ja erstaunlich. Behandeln diese Leute die Intelligenz ihrer Leser immer mit derartiger Verachtung? Gehen sie immer davon aus, dass diejenigen, zu denen sie sprechen, schlecht informiert sind über die strukturellen Gegebenheiten der gegenwärtigen Politik und nicht imstande, die grundlegendsten logischen Auswirkungen der Natur der Beziehung Israels zu den Vereinigten Staaten von Amerika zu erfassen?

Wie jeder, der die letzten 50 Jahre nicht hinter dem Mond verbracht hat weiss, wurde Israel, das stimmt, in Amerika schon lange „ausgesondert“ ... für außergewöhnlich hohe finanzielle, militärische und diplomatische Unterstützung seitens der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika. 

In der Tat könnte man ohne Übertreibung sagen, dass kein kleines und vermeintlich souveränes Land in der modernen Geschichte jemals eine dermaßen überreichliche positive Behandlung durch eine Großmacht erfahren hat. Es gibt nichts, was in Spaniens oder Grossbritanniens langen historischen Phasen als Beherrscher der Welt auch nur annähernd herankommt an die nachsichtige Behandlung Israels durch die Vereinigten Staaten von Amerika.

Aber hören Sie nicht nur auf das, was ich sage. Hören Sie, was der derzeitige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sagt, der sehr bedeutend erklärte, dass die Vereinigten Staaten von Amerika und Israel „im Gleichschritt“ auf dem Schlachtfeld der internationalen Politik agieren müssen. Oder wir könnten auf den derzeitigen Vizepräsidenten und den derzeitigen Aussenminister hören, welche des öfteren Zuhörer daran erinnern, dass es zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Israel „keinen Spalt gibt,“ wenn es um strategische Ziele in der Welt geht.

Gibt es einen historischen Präzedenzfall – in einem politischen Establishment, welches ständig darüber redet, wie parteiische Politik „am Ufer haltmachen muss“ – für das Versprechen, das der Führer der Minderheit im Repräsentantenhaus Eric Cantor dem israelischen Premierminister im November 2010 gab, nämlich dass er „als Kontrolle“ der Administration seines eigenen Landes dienen würde, sollte diese beginnen, eine Politik zu überlegen, die seiner Meinung nach nachteilig für Israel ist.

Gibt es ein anderes Land, das absichtlich versuchen konnte, ein Kriegsschiff der Vereinigten Staaten von Amerika zu versenken, nämlich die USS Liberty im Jahrt 1967, und niemals eine Sanktion oder auch nur eine erkennbare Änderung der bilateralen Beziehungen dafür hinnehmen musste? 

Gibt es ein anderes Land, das einen unbewaffneten Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika im Verlauf eines Piratenakts auf hoher See – Furkan Dogan 2010 – ermorden konnte, und dafür nicht nur nicht zurechtgewiesen wurde, sondern dass diese Operation – eindeutig illegal nach Internationalem Seerecht – praktisch auf das Schweigen der Sprecher des Aussenministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika und Lob von Seiten eines beträchtlichen Teils des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika stieß?

Können wir uns vorstellen, dass eine Person aus einem anderen Land, die hauptsächlich in der Industrie der Vereinigten Staaten von Amerika tätig war und dort zum Milliardär wurde, im nationalen TV seines Geburtslandes auftritt und offen und offensichtlich ohne Angst vor Konsequenzen damit prahlt, wie er half, nukleare Geheimnisse von den Vereinigten Staaten von Amerika zu stehlen? Genau das passierte vor einem Monat mit dem israelischen Filmproduzenten Arnon Milchan.

Gibt es ein weiteres Land (außer vielleicht bestimmten Mitgliedern der sogenannten Fünfaugengruppe der englischsprechenden Länder), das direkten Zugang hat zu den Rohdaten der Kommunikation der Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika, die derzeit von der NSA gesammelt werden? 

Können wir uns vorstellen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika es Analysten in einem dieser „anderen” Länder – deren Situation jeder jetzt kritisieren soll, ehe er je geruht, Israel zu kritisieren – gestatten, praktisch uneingeschränkt und für ihre eigenen besonderen Zwecke die privaten Kommunikationen amerikanischer Bürger genau zu untersuchen?

Und das sind nur einige wenige von den vielen Beispielen für die außergewöhnliche Nachsicht der Vereinigten Staaten von Amerika gegenüber Israel, die hier angeführt werden konnten.

Nein, seit mindestens 46 Jahren und wohl länger war die Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Israel überhaupt nicht „normal,“ was heisst, in irgendeiner Weise im Vergleich zu irgend einer anderen bilateralen Beziehung (mit den möglichen Ausnahmen der Beziehungen zu dem Vereinigten Königreich und Kanada), die die Vereinigten Staaten von Amerika unterhalten. 

Summers und das kleine Heer seiner Nachbeter, die seine Botschaft auf den Leserbriefseiten im ganzen Land verbreiten, wissen das sehr gut.

Warum tun sie also, als wäre das nicht so, und dass daher jede systematische Kritik israelischen Verhaltens zuerst den Test der Vergleichbarkeit mit dem anderer und verschiedener Länder rund um die Welt passieren muss?

Weil sie daran interessiert sind, das zu tun, was viele Menschen machen, wenn sie sich selbst in einer weitgehend unhaltbaren Position finden: das Gespräch von der Richtung ablenken, in der sie es nicht haben wollen.

Und wo ist das?

Weg von der Frage des israelischen Verhaltens, und genauer gesagt weg davon, ob und wie das fundamentale rechtliche Design und internationale Verhalten des israelischen Staates in Einklang steht (oder nicht) mit den demokratischen Werten, an die die meisten Amerikaner zu glauben behaupten.

Wenn du Menschen davon abhalten kannst, über das Thema Menschenrechte in Israel in Bezug zu anderen Ländern zu reden, die nicht im entferntesten herankommen an die privilegierte Behandlung als 51. Staat, wie sie Israel zugestanden wird - und daher eindeutig nicht mit diesem in vernünftiger Weise verglichen werden können – kannst du verhindern, dass Menschen über Themen wie die folgenden reden:

- Dass ungeachtet der Versuche der New York Times und der meisten Mainstream-Medien, die Amerikaner vom Gegenteil zu überzeugen, das einzige nicht inspizierte, das heisst durch und durch schurkische und unberechenbare Atomprogramm im Mittleren Osten Israel gehört. Und mit rund 200 atomaren Sprengköpfen, wie die meisten Berichte sagen, ist das kein kleines Programm.

Israel ist also das einzige Land im Bereich des östlichen Mittelmeers, des Maschrek oder des Iran, das wirklich imstande ist, ein anderes Land „von der Landkarte zu fegen“ oder es durch atomare Erpressung in die Knie zu zwingen.

Und noch so viele Gespräche (erkennen Sie wieder das Argumentationsmuster?) über das komplett nichtexistierende Atombombenprogramm des Iran – so die offizielle Beurteilung des Direktorats für Nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika, nicht meine – können diese Tatsache nicht ändern.

- Dass Israel ein Ethno-Staat ist, was heisst, ein Ort, wo jeder bestimmte Blutlinien nachweisen muss, um die höchstmögliche Stufe der Staatsbürgerschaft zu erreichen. Diejenigen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, können dort leben, aber in einem eindeutig zweitklassigen Status.

Israel ist natürlich nicht das einzige Land, das die Staatsbürgerschaft auf der Grundlage von Blutrechten, des Jus Sanguinis verleiht.

Wo es aber im internationale Kontext besonders heraussticht ist die Art und Weise, wie es das macht, während gleichzeitig Millionen seiner angestammt einheimischen Bewohner die vollen Bürgerrechte vorenthalten werden. Das bedeutet, dass ein Jude aus den Vereinigten Staaten von Amerika oder Russland nach Israel ziehen kann und dort praktisch sofort die höchste Stufe der Staatsbürgerschaft kriegt. Und das, während der Palästinenser, dessen Familie seit Jahrhunderten in dem jetzt von Israel kontrollierten Territorium gelebt hat, gezwungen ist, am gleichen Ort in einer rechtlichen Grauzone zu leben, mit allem Drum und Dran, was die möglichen unberechenbaren Übergriffe des Staates in sein oder ihr Leben betrifft. 

Im Rahmen dieser Handhabung der Staatsbürgerschaft hindert Israel seine bereits Zweite-Klasse-, aber immerhin einheimischen arabischen Bürger gewaltsam daran, als Familie innerhalb der Grenzen Israels zu leben, wenn sie Palästinenser/innen aus den okkupierten Gebieten oder von sonst irgendwo auf der Welt heiraten.

Die Betonung der ethnischen Zugehörigkeit ist so allgegenwärtig, dass die Sicherheitsbeamten am Ben-Gurion-Flughafen unbekümmert Passagiere den unterschiedlichen Sicherheitsprozeduren zuweisen – und hier spreche ich aus eigener Erfahrung – je nachdem wie sie auf die kaum verschleierte Frage nach der Zugehörigkeit zur gesetzlich am meisten bevorzugten Gruppe antworten: „Sind Sie ein Israeli oder haben Sie Familie in Israel?“

Ich glaube nicht, dass die meisten Amerikaner, die ich kenne, dieses Staatsmodell und dieses Verhalten (und das ist nur ein sehr kleiner Ausschnitt) mit einem System assoziieren würden, in dem sie glücklich oder stolz wären zu leben, und auch mit nichts, das sie als wirklich demokratisch bezeichnen würden. 

Und keine Armee von Meinungsmachern, die immer wieder das Mantra „Israel ist die einzige Demokratie im Mittleren Osten“ herunterbeten, kann diese hervorstechende Tatsache ändern.

- Dass Israel einen großen und wachsenden Bevölkerungsanteil von religiösen Bürgern hat, die um keine Spur weniger intolerant und rückwärtsgewandt sind als die schlimmsten Moslemfanatiker in arabischen Ländern oder als die schlimmsten christlichen Fundamentalisten in den Vereinigten Staaten von Amerika, die aber eine beträchtlich größere Kontrolle über die politischen Institutionen des Landes ausüben, als es hier oder in der großen Mehrheit der islamischen Länder der Fall ist.

Davon ist kaum die Rede in unserer Presse oder seitens der selbsternannten Sprecher für Israel wie den oben genannten. Hingegen sagen uns die eifrigsten Unterstützer Israels in den Medien ständig (auch hier finden wir wieder ein Argumentationsmuster) über all diese schrecklichen Araber, dass sie der Welt das Recht der Scharia aufzwingen wollen. Nicht ein Wort davon, wie die Haredim tagtäglich in die demokratischen Rechte säkularer Israelis eingreifen.

Anscheinend nicht bemerkend, dass die Kamera lief, prahlte der derzeitige Premierminister Israels 2001 offen über seine Fähigkeit, genau die selben Amerikaner zu manipulieren, die in nicht geringer Weise seine politische Karriere finanziert und generell die Bemühungen seiner Regierung unterstützt haben bei den ethnischen Säuberungen (soweit ich das sehe, wird das in anderen Teilen der Welt so bezeichnet, wenn man das Land anderer mit Gewalt übernimmt, die ansässigen Bewohner vertreibt und Siedler eines anderen Volkes oder Landes auf dem gestohlenen Land ansiedelt), und auch darüber, wie er aktiv das (von den Vereinigten Staaten von Amerika vermittelte) Oslo-Friedensabkommen unterminierte, das auch von seiner Regierung unterzeichnet worden war.

Alles das von einem Mann und von einem Regierungsapparat, der den Vereinigten Staaten von Amerika und der Welt (auch hier findet sich wieder das Argumentationsmuster) ständig sagt, dass man auf der Seite der Palästinenser „keinen Partner für den Frieden“ habe, niemanden mit nachweislichem gutem Willen, der bereit sei, in ernsthaften und vernünftigen Begriffen über die Zukunft der Region zu reden. 

Was Summers und die anderen, die seine Worte nachbeten, am meisten vermeiden wollen, ist ein ehrliches und umfassendes Gespräch unter den Amerikanern über das Thema, wie und in welchem Ausmass (wenn überhaupt) unsere Schulterschluss-Beziehung mit Israel dem durchschnittlichen Bürger dieses Landes nützt.

Wenn sie wirklich die großen Freunde Israels wären, die zu sein sie behaupten, würden sie immer wieder, ja beharrlich ihren Freunden, die im jüdischen Staat leben, sowie auch denen, die hier leben, für die dieser ein wichtiger Gegenstand ihres Interesses und ihrer Sorgen ist, sagen, was mir ein alter Jesuit unter Hinweis auf das Lukas-Evangelium auf dem Höhepunkt meiner jugendlichen Selbstversunkenheit einst sagte:

„Von dem, der viel bekommt, wird viel erwartet.“

Das ist es im Wesentlichen, was die ASA zu Israel sagt.

Es ist eine Schande, dass diese prominenten Meinungsmacher darauf bestehen, rhetorische Rauchbomben zu werfen, die die wichtigsten Themen vernebeln, die im politischen und sozialen Drama des Landes auf dem Spiel stehen, statt sich den Forderungen anzuschliessen, Israel müsse sich im Rahmen seines öffentlich erklärten moralischen Codes (Sie wissen - die einzige „Demokratie“ im Mittleren Osten) bewegen. 

 
     
  erschienen am 30. Dezember 2013 auf > www.antiwar.com > Artikel  
 
dazu finden Sie im Archiv unter anderem:
  Eric Walberg - BDS 2010: mächtiger als das Schwert
  Ran HaCohen - Die Hilfsflotte in der israelischen Presse
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